Auf dem Weg zu einem Jugendparlament in Frankfurt

Frankfurter Jugendring (FJR) und Stadtschüler*innenrat (SSR) starten Prozess zur Erstellung eines stadtweiten Beteiligungskonzepts für Kinder und Jugendliche in Frankfurt

 

Julien Chamboncel, Vorstandsmitglied des Frankfurter Jugendrings, und Paul Harder, Stadtschulsprecher, geben die offizielle Gründung des stadtweiten „Arbeitskreises (AK) Partizipation“ und die Arbeitsaufnahme der Planungsgruppe aus beiden Jugendorganisationen bekannt. Ziel ist es, innerhalb der nächsten zwei Jahre ein ganzheitliches Beteiligungskonzept für Kinder und Jugendliche in Frankfurt zu erstellen und von der Stadt beschließen zu lassen. Dieses Konzept sollte nicht nur den Weg für ein Jugendparlament in Frankfurt ebnen, sondern auch die Beteiligungsformen eruieren, die auf Stadtteil- und Ortsbezirksebene für einen niedrigschwelligen und altersgerechten Zugang für junge Menschen unentbehrlich sind.

Begleitet und unterstützt wird die Arbeit der beiden größten Jugendorganisationen der Stadt von über 30 Personen aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Gesellschaft. Diese bringen ihre jeweilige Expertise in die Planungsgruppe ein. Durch sie wird auch ersichtlich, dass es heute in Frankfurt einen überparteilichen und ämterübergreifenden Konsens für das Projekt gibt. „Die Breite und Vielfalt der Mitglieder des Arbeitskreises zeigen uns eindeutig, dass wir auf den richtigen Weg sind. Mit großer Freude stellen wir eine hohe Bereitschaft seitens der Mitglieder fest, uns zu unterstützen“, sagt Julien Chamboncel.

Die Planungsgruppe nimmt ihre Arbeit auf und die ersten Termine stehen schon fest. Auf Einladung des Oberbürgermeisters wird ab Dezember monatlich eine Schule besucht, um das Projekt vorzustellen und Input für den Prozess zu sammeln. „Was unsere Arbeitsorganisation angeht, wollen wir möglichst transparent agieren, da wir von uns nicht behaupten können, dass wir die Partizipation stärken wollen, wenn wir selbst nicht partizipativ sind“ betont Paul Harder. Deshalb sind weitere Interessierte im Arbeitskreis und für die Arbeit mit der Planungsgruppe stets willkommen. Neben den Besuchen in Schulen wird ab nächstes Jahr aktiv mit Jugendverbänden und Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit gearbeitet, da diese wichtige Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche in den Stadtteilen darstellen. Auch die Zusammenarbeit mit Ortsbeiräten, Quartiersmanagements und weiteren lokalen Initiativen, die sich für das Thema einsetzen wollen, werden bei der Erstellung des Gesamtkonzepts von großer Bedeutung sein. 

Julien Chamboncel, FJR-Vorstandsmitglied und Paul Harder, Stadtschulsprecher. Fotos: David Wedmann / FJR

 

Oberbürgermeister Peter Feldmann: „Es ist nicht selbstverständlich, dass Jugendliche die Initiative ergreifen und von sich aus einen demokratischen Raum ins Leben rufen wollen, in dem sie sich treffen, um gemeinsam zu verändern, was sie stört. Ein Jugendparlament ist aber notwendig, damit Jugendliche Demokratie nicht nur abstrakt kennenlernen. Sie müssen das aktiv erleben können. Sie können gemeinsam Ideen entwickeln, Mehrheiten bilden und auch lernen zu streiten. Genau das brauchen wir in politisch unsicheren Zeiten, in denen wir unser demokratisches Gemeinwesen gegen Angriffe verteidigen müssen. Deshalb unterstütze ich als Oberbürgermeister die Forderung des Jugendrings und das Stadt-Schülerrates.“

Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld sagt zu, für die Koordination und Erstellung des Beteiligungskonzepts eine halbe Stelle zu finanzieren. Die Stadträtin betont: „Viele insbesondere benachteiligte Jugendliche tun sich mit etablierten Beteiligungsformen schwer. Ich begrüße es deshalb, dass es Jugendring und StadtschülerInnenrat um ein umfassendes Konzept der Beteiligung geht. Das Kommunale Jugendbildungswerk im Jugend- und Sozialamt wird den Prozess fachlich unterstützen. Wichtig ist mir außerdem die Einbindung der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Die Frankfurter Ergebnisse des EU-Projekts Partispace haben bestätigt, wie wichtig Begegnungsräume außerhalb der Schule für junge Menschen sind. Unsere Jugendhäuser bieten die Möglichkeit, niedrigschwellig Beteiligung zu fördern.“

Prof. Dr. Andreas Walther, Goethe Universität: „Die Einrichtung eines Jugendparlamentes ist ein extrem wichtiges jugendpolitisches Signal an Jugendliche und - noch wichtiger - an Erwachsene; ein Signal, dass Jugendliche zu Frankfurt dazu gehören, dass sie – bei aller Unterschiedlichkeit – begründete eigene Interessen und Bedürfnisse haben, aber andere als Kinder und Erwachsene. Gleichzeitig reicht ein Jugendparlament nicht. Wir brauchen ein „atmendes“ Konzept von Partizipation (oder: Mitbestimmung), das unterschiedliche Ausdrucks-, Mitbestimmungs- und Teilhabeformen, gerade auch informelle, außerinstitutionelle zulässt und das auch scheinbar unproduktive Aktivitäten wie das Chillen in öffentlichen Räumen als Ausdruck und Anspruch von Teilhabe anerkennt. Dazu gehört Konflikten zwischen widersprüchlichen Interessen Raum zu geben. Vielleicht ist Partizipation auch gar nicht der richtige Begriff. Vielleicht trifft es Mitbestimmung besser, weil es auch um das Teilen von und Streiten um Macht geht.“

v.l.n.r. Julien Chamboncel (FJR), Paul Harder (SSR), Oberbürgermeister Peter Feldmann, Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld, Prof. Dr. Andreas Walther (Goethe-Universität) (Foto: David Wedmann/ Frankfurter Jugendring)

 

Weitere Statements von Mitgliedern des Arbeitskreises

Beatrix Baumann, Fraktion die Grünen im Römer: „Wir wollen junge Menschen für die Demokratie begeistern. Das geht am besten, indem man ihnen Möglichkeiten eröffnet, ihre Meinungen, Wünsche und Vorstellungen selbständig zu vertreten. Wer früh ernst genommen wird und spürt, dass man Dinge selbst verändern kann, lernt Demokratie und geht als Erwachsene*r gestärkt durchs Leben. Gleichzeitig müssen jungen Menschen dort beteiligt werden, wo sie direkt oder künftig betroffen sind. Die GRÜNEN unterstützen alle Formen von Jugendbeteiligung, die ernsthaft und verbindlich aufgesetzt sind. Dazu zählen u.a. Antrags- und Rederechte und ein eigenes Budget. Die Beteiligungsstrukturen sollten im Lebensumfeld von Jugendlichen ansetzen und auch niederschwellige Formate wie Foren oder Hearings beinhalten. Wir beteiligen uns gerne an der Konkretisierung und Umsetzung eines solchen Partizipations-Vorhabens in Frankfurt.“ 

Christian Becker und Christiane Schubring, CDU-Fraktion im Römer: „Wir beteiligen uns für die CDU-Fraktion im Römer gerne an dem Arbeitskreis, weil wir denken, dass das zunehmend wahrnehmbare politische Engagement junger Menschen seinen Niederschlag in tatsächlicher Mitsprache haben sollte. Dabei ist es uns wichtig, dass Kinder und Jugendliche aus allen Bevölkerungsgruppen einbezogen und dass Beteiligungsformen gefunden werden, die nicht zwangsläufig in langwierige städtische Verwaltungsprozesse münden. Als Stadtverordnete möchten wir in erster Linie zuhören und den Diskussionsprozess der Jugendlichen in unsere Fraktion tragen sowie unsere parlamentarische Erfahrung einbringen.“

Myrella Dorn, AWO Frankfurt: „Wir als Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Frankfurt am Main e.V. sind Teil des Arbeitskreises, weil wir als freier Träger von Kinder- und Jugendeinrichtungen hinter der Idee von Partizipation und Teilhabe stehen. Erziehung zu mündigen Menschen und Teilhabe an allen demokratischen und gesellschaftlichen Strukturen des Lebens steht in unserer pädagogischen Arbeit an oberster Stelle. Der Arbeitskreis bietet hierbei die beste Möglichkeit Teil dieses spannenden Prozesses zu sein und die Meinungen und Bedarfe unserer Kinder und Jugendlichen weiterzutragen bzw. sie letztlich auf dem Weg hin zur Partizipation zu unterstützen. Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft und gehören als Teil dieser Stadt auch in die Entscheidungsprozesse miteinbezogen.“

Martin Kliehm und Ayse Dalhoff, Fraktion Die Linke im Römer: „Wir begrüßen den Start des  „Arbeitskreises Partizipation“ und erwarten vom überparteilichen und multiprofessionellen Bündnis die Kinder und Jugendlichen beim Aufbau ihres  Beteiligungskonzepts zu unterstützen, ohne dabei die Selbstbestimmung der Kinder und Jugendlichen zu unterlaufen. Die Kinder und Jugendlichen wollen gesellschaftliche Teilhabe. Ihr Interesse und Engagement sowie ihre Langatmigkeit haben sie in den letzten Monaten besonders deutlich gezeigt. Es ist unsere Aufgabe, die Ergebnisse nicht im Sand verlaufen zu lassen, sondern als Handlungsaufgabe mit in die Stadtpolitik zu nehmen. Wir freuen uns sehr auf die jugendlichen Impulse für die Stadt und sind sehr gespannt, welche Formen der Partizipation die Kinder und Jugendlichen selbst einbringen und erarbeiten werden.“

Sven Moulden, jugendpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Ortsbeirat 12:  „Junge Menschen waren in Frankfurt bisher in der Politik deutlich unterrepräsentiert und ich bin froh darüber, dass sich nun ein Arbeitskreis gegründet hat, der dies ändern will. Vor allem macht mich stolz, dass dieser von jungen Leuten initiiert wurde und von diesen geleitet wird. Aus diesem Grund bin ich motiviert an dem Projekt mitzuarbeiten und werde meine Erfahrung aus knapp 3 Jahren Ortsbeiratsarbeit einbringen. Als Ortsbeirat merke ich, wie schwierig es ist junge Menschen von Politik zu begeistern, da Prozesse zu langwierig und nicht transparent genug sind und so nicht die Sprache von jungen Menschen gesprochen wird. Außerdem fehlen Formen und Formate, in denen sich Jugendliche direkt einbringen können. Dies werden wir anpacken und verändern!“

Jan Pasternack, Dezernat Integration und Bildung: „Das Dezernat für Integration und Bildung, darunter auch das Stadtschulamt und das Frankfurter Kinderbüro, begrüßt und unterstützt alle Aktivitäten, die Menschen, die noch nicht wählen dürfen, zu ihrem gesetzlich verbrieften Recht auf Gehör verhelfen. Wir als Erwachsene müssen Minderjährigen zuhören, sie ernst nehmen und sie nach Kräften unterstützen sich eine Meinung zu bilden, um diese dann auch vertreten zu können. Aus diesem Grund berät das Kinderbüro den AK Partizipation sehr gerne. Mit den Bildungskonferenzen hat das Stadtschulamt bereits viele gute Erfahrungen zur Beteiligung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen sammeln können und bringt diese gerne in den Arbeitskreis ein.“

Hannah Tiehle und Emre Telyakar, Grüne Jugend Frankfurt: „Wir als Grüne Jugend Frankfurt freuen uns, Teil des Arbeitskreises sein zu dürfen und wollen uns vor allem dafür einsetzen, dass das Beteiligungskonzept mit einem Jugendparlament eine möglichst barrierefreie Partizipationsmöglichkeit für Jugendliche bieten wird. Dabei ist uns wichtig, dass sich das Jugendparlament durch eine breite Repräsentation der gesamten Frankfurter Jugend auszeichnen wird, paritätisch besetzt wird und Minderheiten und Jugendliche aus bildungsschwächeren Strukturen eine besondere Berücksichtigung finden werden. Gerade in Zeiten, in denen Jugendliche, u.a. durch die Klimabewegung, verstärkt politisiert werden, geht es darum, sie in ihrem politischen Engagement zu empowern und diese Politisierung der Jugend in die Parlamente zu tragen. Daher sollen Jugendliche mit einem festen Gestaltungsrahmen inklusive ausreichender finanzieller Mittel und konkreten Mitspracherechten ausgestattet werden.“

Nico Wehnemann, Die Partei, Die Fraktion im Römer: „Wir haben bereits Anfang des Jahres einen Antrag zum Jugendparlament eingereicht um eine interfraktionelle Diskussion anzustoßen. Mir ist wichtig, dass wir das Thema fraktionsübergreifend angehen wenn wir ein parteiübergreifendes Parlament für alle schaffen wollen. Leider sieht es so aus als ob die Koalitionsfraktionen aus SPD, CDU und Grüne das unter sich ausmachen und das für ihren Wahlkampf nutzen wollen. Wir werden den Prozess daher begleiten und aufpassen, dass die Partizipation von jungen Menschen außerhalb von Parteien stattfinden kann.“

In der Presse

"Die Jugend braucht eigene Strukturen", Journal Frankfurt, 21.10.2019

"Frankfurter Jugendparlament vor der Gründung", Frankfurter Rundschau 19.10.2019

"Zwei Jahre bis zum Jugendparlament", Franfurter Allgemeine Zeitung, 19.10.2019

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