jugendmachtfrankfurt
Unser Weg zu einem ganzheitlichen Jugendpartizipationskonzept
jugendmachtfrankfurt hat in den vergangenen vier Jahren ein umfassendes Jugendpartizipationskonzept diskutiert und entwickelt. Junge Menschen sollten mit ihrer Expertise für die Politik einen Vorschlag erarbeiten, wie Jugendpartizipation in Frankfurt wirkmächtig gestaltet werden kann: Wie können unterschiedlichste Kinder und Jugendliche erreicht und motiviert werden, um das Frankfurt von morgen mitzugestalten?
Gemeinsam mit dem Stadtschüler*innenrat hatte der Jugendring im Herbst 2019 eine jugendliche Projektgruppe – die Planungsgruppe – ins Leben gerufen. Darin engagierten sich sechs Stadtschulsprecher*innen, Vorstandsmitglieder des SSR und des FJR, Schüler*innen, Auszubildende und Student*innen. Die Planungsgruppe wurde beraten vom Arbeitskreis Partizipation, in dem sich Personen aus der Politik, der Wissenschaft, der offenen Kinder- und Jugendarbeit sowie aus den Ämtern und Dezernaten der Stadt Frankfurt zusammengeschlossen hatten.
Die Planungsgruppe konnte sich bei den Mitgliedern des Arbeitskreises Expertise einholen und Fragestellungen bzgl. des Jugendpartizipationskonzepts vorab diskutieren. Alle Akteur*innen verband der Wunsch, ein umfassendes, ganzheitliches und weitreichendes Konzept für die Verbesserung der Beteiligungsmöglichkeiten junger Menschen in Frankfurt zu erarbeiten.
Das Ergebnis der vielen Diskussionen und Überlegungen ist eine wegweisende Vision einer Jugendpartizipationsstruktur, für die die Planungsgruppe bundesweit von vielen Akteur*innen aus dem Fachfeld große Anerkennung erfahren hat.
Die Essenz dessen, was die Planungsgruppe fordert, stellen wir im folgenden Absatz vor. Im Konzeptpapier selbst werden die Debatten, die zu den einzelnen Entscheidungen geführt haben, oft ausführlicher dargestellt, um größtmögliche Transparenz herzustellen.
Jugendräte und Jugendparlament
Der erste Teil des Jugendpartizipationskonzeptes umfasst repräsentative Formen der Beteiligung:
Jugendräte und Jugendparlament.
- Alle Stadtteile wurden in acht Jugendratsbezirke eingeteilt, für die jeweils ein Jugendrat zuständig ist. Dessen Aufgabe ist die lokale
- Verankerung der repräsentativen Beteiligung. Der Bezirk entspricht den Lebenswelten junger Menschen oft mehr als die gesamte Stadt.
- In die Jugendräte sind Menschen im Alter von 12 bis 18 Jahren wählbar, wählen können Personen vom zehnten bis zum 18. Lebensjahr.
- Die Jugendräte sind unterschiedlich groß und orientieren sich an der Zahl der in dem jeweiligen Bezirk lebenden Jugendlichen. Der größte Jugendrat
- umfasst acht Sitze, der kleinste drei.
- Alle Jugendlichen, die in die Jugendräte gewählt werden, bilden gemeinsam das stadtweite Jugendparlament, welches 47 Sitze hat. Dieses Modell der Doppelvertretung ermöglicht sowohl eine lebensnahe Beteiligung im konkreten Sozialraum der Jugendlichen als auch eine stadtweite Interessenvertretung gegenüber Stadtverwaltung und Stadtpolitik.
- Die Jugendräte sollen mit Rede- und Antragsrecht in den jeweiligen Ortsbeiräten ausgestattet werden, analog dazu soll das Jugendparlament mit Rede- und Antragsrecht in der Stadtverordnetenversammlung und in den Unterausschüssen vertreten sein. Weiterhin soll das Jugendparlament ein Stimmrecht im Jugendhilfeausschuss und in dessen Unterausschüssen bekommen.
- Diese Formen der Beteiligung müssen durch Änderungen der Hauptsatzung der Stadt Frankfurt, der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung, des Jugendamtes und der Ortsbeiräte langfristig in den Strukturen der Stadt Frankfurt verankert werden.
- Den Jungparlamentarier*innen soll eine Aufwandsentschädigung für ihr Engagement gezahlt und ggf. ein RMV-Ticket zu Verfügung gestellt werden. Damit soll sichergestellt werden, dass sich junge Menschen aus unterschiedlichen sozialen Milieus ein Engagement in den repräsentativen Strukturen »leisten« können. Solche Aufwandsentschädigungen sind für den sozialen Ausgleich in einem diversen Jugendparlament unabdingbar.
Hauptamtliche Begleitung
Ein erfolgreiches und aktives Jugendparlament braucht eine empowernde hauptamtliche Unterstützung. Die Planungsgruppe sieht den Bedarf für zwei unterschiedliche Aufgabenbereiche: die organisatorische und die pädagogische Begleitung.
- Die organisatorische Begleitung stellt den Ablauf der parlamentarischen Prozesse sicher. Dazu gehören das Einpflegen von Anträgen und Anfragen in das städtische Intranet, Buchungen von Räumen, das Anfertigen von Protokollen, die Abwicklung der Buchhaltung und weitere Sachbearbeitungsvorgänge.
- Die pädagogische Begleitung ist für das inhaltliche Empowerment rund um das Jugendparlament zuständig. Dazu gehören u.a. Reflexion der Arbeit, Moderationen und Mediationen, Workshops zu den Themen Kommunalpolitik, Diversität und gesellschaftspolitische Fragestellungen. Die pädagogische Begleitung dient als Anlaufstelle bei Konflikten und soll durch ein offenes Angebot dafür sorgen, dass alle Jugendlichen gleichermaßen an der repräsentativen Beteiligungsstruktur teilhaben können. Durch Beziehungsarbeit und kontinuierliche Ansprechbarkeit soll gewährleistet werden, dass Jugendliche, die von struktureller Ausgrenzung betroffen sind, gleichberechtigter Teil der Jugendvertretungen sind. Die ausreichende Ausstattung der pädagogischen Begleitung mit finanziellen Ressourcen und dem nötigen Knowhow ist dabei dringend erforderlich.
Sozialraumkoordination
Das Jugendpartizipationskonzept umfasst noch eine zweite, gleichbedeutende Komponente: die offene, projektorientierte Beteiligung, die durch die Sozialraumkoordination ermöglicht wird. Dem Konzept liegt ein weitreichendes Verständnis von Partizipation zugrunde, dass auch informelle Formen wie bspw. das Aufhalten in Parks oder auf Spielplätzen als gesellschaftliche Beteiligung auffasst. An diesen informellen Beteiligungsformen anzuknüpfen bedeutet, eine Verknüpfung zwischen direkter Lebenswelt und politischen Prozessen herzustellen. Politische Entscheidungsprozesse werden dann nicht mehr als etwas Abstraktes verstanden, das mit der Realität junger Menschen scheinbar nichts zu tun hat und deshalb uninteressant ist. Gleichzeitig trägt sozialräumliche Beteiligung zu einer Verbesserung der Lebenswelt bei, was wiederum die Identifikation mit der Gesellschaft fördert.
Auch die sozialräumlichen Beteiligungsprozesse müssen strukturell gut ausgestattet sein, um bedarfsgerechte Angebote zu schaffen, die von jungen Menschen auch wahrgenommen werden. Gleichzeitig ist eine Verknüpfung mit der repräsentativen Beteiligungsstruktur – den Jugendräten –unabdingbar, damit die Belange im Kiez nicht als lokale, abgeschottete Angelegenheiten wahrgenommen, sondern als Teil gesamtpolitischer Fragen gesehen werden.
- Für die Förderung sozialräumlicher Beteiligungsformate sowie die Verknüpfung mit den repräsentativen politischen Organen empfiehlt die Planungsgruppe die Schaffung einer Sozialraumkoordination, die pro Jugendratsbezirk mit einer pädagogischen Stelle ausgestattet wird.
- Sie unterstützt jugendliche Beteiligungsversuche und stellt Kontakte zu relevanten Akteur*innen im Jugendratsbezirk (OKJA, Jugendhilfeeinrichtungen, Jugendverbände, Sportvereine, Schulen usw.) her.
- Sie ist mit den Akteuren der formalen Jugendbeteiligungsstrukturen vernetzt.
- Sie verfügt über ein finanzielles Budget für Beteiligungen in den Stadtvierteln, kann moderierend in Konflikte eingreifen und als Mittlerin zwischen Institutionen und jungen Menschen auftreten.
- In bestimmten Jugendratsbezirken kann auch aufsuchende Jugendarbeit in das Aufgabenfeld der Sozialraumkoordination fallen, gerade wenn es an Anlaufstellen für Jugendliche im Bezirk mangelt. Diese Fachstellen müssen flexibel auf die Bedürfnisse der jungen Menschen reagieren und auch mit unterschiedlichen, infrastrukturellen Bedingungen umgehen können.
Im Jugendpartizipationskonzept wurden verschiede Beispiele aufgenommen, wie eine solche Arbeit aussehen kann und welche konkreten Problemsituationen sich über eine Sozialraumkoordination lösen lassen.
Ausblick
Das Jugendpartizipationskonzept stellt einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu mehr gelungener Jugendbeteiligung in Frankfurt dar. Es wurde von Jugendlichen für Jugendliche erarbeitet und beinhaltet eine umfassende Vision, die allen Jugendlichen Möglichkeiten zur Mitgestaltung ihrer Lebenswelt bietet.
Seit Mitte des Jahres 2023 beschäftigt sich eine Arbeitsgemeinschaft der Koalition aus Grünen, SPD, FDP und Volt mit den Inhalten des Konzeptes. Die Planungsgruppe wurde über den Stand der Diskussionen informiert und hat zu einigen Fragestellungen Position bezogen.
Kenntnisstand der Planungsgruppe ist, dass die Koalitions-AG einen Grundsatzantrag für die Stadtverordnetenversammlung vorbereitet, in dem die Grundzüge der Jugendbeteiligung festgelegt werden. Eine Rückkopplung mit der Planungsgruppe ist geplant.
Die Stadtpolitiker*innen aller Fraktionen haben nun die Chance, unter Beweis zu stellen, dass sie Frankfurt zu einer jugendgerechteren Stadt machen wollen und bereit sind, dazu eine umfassende und tiefgreifende Veränderung vorzunehmen. Die Planungsgruppe wird sich weiterhin für alle Formen der Jugendpartizipation stark machen. Denn nur gemeinsam lässt sich Frankfurt zu einer lebenswerteren und demokratischeren Stadt machen.