"Die Chance mitreden zu dürfen passiert nicht so oft"

4. Juni 2015

"Was ist Dir persönlich wichtig im Leben? Was macht Deiner Meinung nach Lebensqualität in Deutschland aus?"

Zu diesen Fragen fand der von der Bundesregierung einberufene Bürgerdialog am 3. Juni 2015 in Frankfurt am Main statt, auf Einladung von YoungCaritas Frankfurt und dem Frankfurter Jugendring. 

Dilan (19 Jahre), Yasemen (25 Jahre) und Semiha (29 Jahre) sind alle drei Mitglieder im Vorstand der Alevitischen Jugend Frankfurts. Sie nahmen am Bürgerdialog und wir haben sie nach dem Bürgerdialog gefragt, wie sie diese Partizipationsform und den Abend fanden.

Was hat Euch dazu bewegt, am Bürgerdialog teilzunehmen?

Yasemen: Mit dem Bürgerdialog sehen wir eine Chance aktuelle Gedanken und Wünsche unsererseits an die Bundesregierung weiterzuleiten. Die Chance mitreden zu dürfen, haben wir ja nicht alle Tage, denn oftmals werden die Interessen der Bürgerinnen und Bürger sehr vernachlässigt.

Semiha: Endlich mal ist die Meinung der Normalbürger gefragt worden, dachte ich mir. Deswegen beschloss ich schnell teilzunehmen um meine Meinung über die Politik und die ganzen Geschehnisse äußern zu können. Jede Stimme der Bürger zählt, sonst bleiben wir stumm! Auch wenn Kanzlerin Merkel vielleicht nur zuhört, reicht uns das vollkommen aus.

Dilan: Die Chance mitreden zu dürfen passiert nicht oft. Mit dem Bürgerdialog können wir endlich mal unsere Meinung äußern.

Was hat Euch am besten gefallen?

Yasemen: Der Bürgerdialog war gut organisiert und umgesetzt, vor allem die Gruppentische mit der Überlegung, sich mit anderen - quasi 'fremden' - Jugendlichen an einen Tisch zu setzen, Gedanken auszutauschen, Verbesserungsvorschläge einzubringen und aufs Papier zu bringen. So werden bisher unüberlegte Gedankenanstöße angetrieben und mit verschiedenen Meinungen und Ideen verfeinert.

Semiha: Das ganze Diskussionsformat in allem. Vor allem das Diskutieren von vorgegebenen Themen an den Zwischenständen / Gruppentischen, die danach an Pinnwänden dokumentiert und zum Abschluss ausgewertet wurden.

Dilan: Das Diskussionsformat hat mir ebenso sehr gut gefallen, es war schön mal andere Meinungen zu hören und sich zusammen zu setzen um darüber zu diskutieren.

Was waren die Themen, die Euch bewegt haben?

Yasemen: Bewegende und uns im Alltag betreffende Themen sind vor allem die der Gesundheit, bezahlbare Mieten und die Chancengleichheit im Arbeitsalltag. Nicht, dass all die anderen Themen unwichtig sind, ganz im Gegenteil, aber wenn Gesundheit, Chancengleichheit und bezahlbare Mieten gegeben sind, dann ist das Leben erst lebenswert. Wenn diese drei Punkte nicht gegeben sind, können wir mit Freizeit- und Naturangeboten nicht viel anfangen.

Semiha: Ich gebe der Yasemen vollkommen Recht, aber zusätzlich hat mich besonders die globale Ungerechtigkeit wie Armut, Ressourcenknappheit oder Klimawandel bewegt. Wenn Menschen mehr auf Teile des eigenen Wohlstandes verzichten würden, es zusätzliche Steuern zur Förderung der Entwicklungsländer gäbe, würde vielleicht die Ausbeutung der Entwicklungsländer nicht weiter zunehmen. Daher glaube ich, dass dadurch die Ungerechtigkeit bekämpft und ein wichtiger Schritt zu einer internationalen fairen Gesellschaft getan wird. Die Schere zwischen den Ländern wird immer größer und in der Zukunft wird es immer schwerer werden eine globale Gerechtigkeit einzuleiten.

Was soll mit den Vorschlägen / Ergebnissen passieren? Findet Ihr dass diese Plattform passend ist, um die Jugend mitreden und mitentscheiden zu lassen?

Yasemen: Der Ursprung des Bürgerdialogs ist es, die Ergebnisse an die Bundesregierung in unserem Namen einzubringen. Die Idee finde ich ganz gut, wann sonst haben wir diese Gelegenheit?

Semiha: Der Bürgerdialog will die Breite der Gesellschaft erreichen, das heißt einfach Vertretungen aller Generationen, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, mit einfachem und höherem Bildungsstand. Die Themen des Dialoges sind weit und reichen von lokalen Herausforderungen bis hin zu internationalen Fragestellungen. Die Ergebnisse der Veranstaltungen sind Empfehlungen an die Politik und Verwaltung. Ich hoffe, dass unsere Kanzlerin Frau Merkel unseren Kummer liest, denn sonst kann und wird sich nichts verändern.

Dilan: Wir müssen jede Chance ergreifen, dass unsere Meinung an die Bundesregierung übermittelt wird. Die Ergebnisse der Veranstaltung sind zwar nur Empfehlungen, wir hoffen doch, dass unsere Kanzlerin ebenso die Gelegenheit ergreift, die Meinung des Volkes durchzusetzen.

Gibt es konkrete Vorschläge, die unbedingt umgesetzt werden sollen? 

Yasemen: Ja auf jeden Fall! Bezahlbare Mieten sind mittlerweile ein Traum von vielen Frankfurtern. Entweder muss man das nehmen, was man für sein Geld bekommt und Wünsche zurückstellen, oder man muss auf vieles Andere verzichten um im gewünschten Stadtteil leben zu können. Es macht das Leben nicht lebenswerter. Zusätzlich sollte das Gesundheitssystem so aufgestockt werden, dass genügend Ärzte in Arztpraxen praktizieren, um zeitnah Behandlungen anbieten zu können, damit auch wirklich nur Notfälle Krankenhäuser aufsuchen müssen.

Semiha: Das auf jeden Fall, sonst würde es den Bürgerdialog nicht geben. Wie schon erwähnt, wenn Menschen mehr auf Teile des eigenen Wohlstandes verzichten würden, es zusätzliche Steuern zur Förderung der Entwicklungsländer gäbe, würde vielleicht die Ausbeutung der Entwicklungsländer nicht weiter zunehmen.

Dilan: Ja unbedingt!! Das Gesundheitssystem ist in Deutschland momentan echt tief unten, in vier Wochen einen Termin beim Facharzt zubekommen, das ist fast unmöglich. Man muss leider auf verschiedene Untersuchungen verzichten, da die meisten gebührenpflichtig sind. Zahlbare Wohnungen im Frankfurter Raum zu finden ist echt sehr schwierig. Leider muss man dann in Stadtteile ziehen, wo man sich eventuell gar nicht wohl fühlt.

 

Das Interview führte Sébastien Daudin, Referent beim Frankfurter Jugendring.
Fotos: Alevitische Jugend Frankfurts / YoungCaritas Frankfurt

in der Presse:

Hier dürfen Junge mitreden, Frankfurter Neue Presse, 5. Juni 2015

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