Start unserer Kampagne gegen Kinder- und Jugendarmut

19. Dezember 2017

Frankfurt, 20. Dezember 2017
 

Frankfurt, du arme reiche Stadt

Mit dieser Kampagne wollen der Frankfurter Jugendring (FJR) und seine 29 Verbände die Frankfurter Politik und Gesellschaft aufrütteln und für das Thema der Kinder- und Jugendarmut sensibilisieren. Der FJR hat konkrete Forderungen formuliert, wie die Auswirkungen der Kinder- Jugendarmut eingedämmt werden könnten. Er startet eine Fundraising-Kampagne mit dem Ziel, jährlich jedem Kind in Frankfurt eine Teilnahme an einer Ferienfreizeit zu ermöglichen, unabhängig vom Einkommen der Eltern. Weitere Projekte und Aktionen sind bis Ende 2018 geplant.

Vorgeschichte und Hintergründe der Kampagne

Zuletzt war das Thema Kinder- und Jugendarmut in den Jahren 2010 - 2012 in der Frankfurter Stadtpolitik präsent. Der Jugend- und Sozialamt veröffentlichte damals den Sozialbericht „Zukunft Frankfurter Kinder sichern“. Die Stadtverordnetenversammlung verabschiedete 2012 im Anschluss das entsprechende Programm zur Umsetzung der Empfehlungen aus dem Sozialbericht.

Parallel organisierte der FJR 2010 eine große Aktionskampagne gegen Armut, die in verschiedenen Aktionen und Projekten mündete. Hervorzuheben ist die Herausgabe der Studie „Kinder- und Jugendarmut in Frankfurt“, die in Zusammenarbeit mit Gerda Holz vom Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS Frankfurt/Main) entstand. Mehr dazu hier.

Im Sommer 2017 präsentierte die 2012 gegründete Ad-hoc-AG (bestehend aus dem Jugend- und Sozialamt sowie Stadtschulamt) einen Sachstandsbericht vor dem Jugendhilfeausschuss, der den Stand des Erreichten im Hinblick auf das Programm „Zukunft Frankfurter Kinder sichern“  präsentierte. Es entstand nun eine Projektgruppe, um die Maßnahmen und Ziele, wie sie 2012 formuliert wurden, zu überprüfen und ggf. neue zu formulieren. Der FJR ist der Meinung, dass man die letzten fünf Jahre intensiver hätte nutzen können, um gegen Kinder- und Jugendarmut vorzugehen. Folgendes kritisieren wir:

  • Die angedachten Kooperationen, Netzwerke und Evaluationen in vielen Bereichen sind kaum bis gar nicht entstanden.
  • Für den Ausbau von Kinder- und Familienzentren und den Ausbau der Jugendhilfe in der Schule wurde Geld investiert, aber zu wenig.
  • Für den dringenden Ausbau der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (offene Einrichtungen wie Jugendzentren, Jugendclubs) ist nichts passiert.
  • Das Programm „pädagogischer Mittagstisch“, das insbesondere eingerichtet wurde, um Kinder und Jugendliche zu unterstützen, die von Armut betroffen sind, wurde nicht weiter ausgebaut.
  • Auf der übergeordneten politischen Ebene ist sehr wenig in Bewegung gekommen, wie z.B.  die Einrichtung kostenloser Kitas oder das Angebot kostenloser Mittagessen.
  • Das Personal in städtischen Einrichtungen und Verbänden ist für die Thematik nicht weitergebildet bzw. sensibilisiert worden.

 

Fakt ist:

Heute lebt nach wie vor fast jedes 4. Kind in Frankfurt in Armut – Es fehlt an Mut und Entschlossenheit der politischen Verantwortlichen.

Die Zahlen heute sind nach wie vor ernüchternd: 2015 lebten in Frankfurt 25.675 Kinder unter 18 Jahren in Familien mit SGBII-Bezug, das sind 22,1% der Kinder.

Es ist kein überparteilicher Konsens zu erkennen, um das Problem der Kinder- und Jugendarmut mit ausreichenden Ressourcen anzugehen. Die Kosten sind alle berechnet worden, es fehlt nach wie vor an Mut und Entschlossenheit der politischen Verantwortlichen.

Neue Studien und Berichte, die ebenfalls bestätigen, dass das Problem mitnichten gelöst ist, sind zu finden in:

  • Frankfurter Sozialbericht – Teil X (Familien in Frankfurt) 2014
  • Bertelsmann Stiftung Bericht 2017
  • Hessischer Landessozialbericht Dezember 2017

 

Aktuelle Berichte aus unseren Jugendverbänden

Im Frühjahr 2017 wurde im Rahmen einer Klausur der FJR-Mitglieder das Thema erneut behandelt. Die Jugendverbände des FJR zeichneten ein erschreckendes Bild ab, wie sie Armut in ihrer alltäglichen Arbeit im Jugendverband, auf Ferienfreizeiten oder in offenen Einrichtungen begegneten und erlebten.

  • Die Kluft zwischen Armen und Reichen wird immer deutlicher und immer größer.
  • Es ist für viele junge Menschen immer problematischer, Beiträge zu zahlen (Mitgliedschaft, Freizeiten, Veranstaltungen)
  • Es wird als Diskriminierung und Stigmatisierung erlebt, wenn man Nachweise erbringen muss, um Vergünstigungen zu erhalten.
  • Die prekäre Situation von Jugendlichen tritt in den offenen Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit immer mehr zutage.
  • Kindern von Geringverdienenden fehlt nicht nur Geld, sondern oft auch persönliche Zuwendung: Die Mitarbeiter*innen fangen hier viel auf.
  • Das Vertrauen, das in offenen Einrichtungen zu Kindern / Jugendlichen aufgebaut wird, erleichtert das Erkennen von Förderungsbedarf.
  • Mädchen sind mit ihrer Situation stärker isoliert als Jungen, da sie öfter zuhause bleiben müssen, um hier zu helfen.

 

Ziele der Kampagne

  • Wir wollen das Thema Kinder- und Jugendarmut wieder ins Zentrum der Diskussion und in den Fokus der Öffentlichkeit bringen
  • Wir wollen Bündnispartner finden und die Politik zum Handeln bewegen
  • Wir wollen einen eigenen Beitrag leisten, mit verschiedenen Projekten und Aktionen. Wir verfolgen das Ziel: „Jedes Kind in Frankfurt soll jährlich auf einer Ferienfreizeit mitfahren können, unabhängig von der Einkommenssituation der Eltern“

 

Unsere politischen Forderungen

Wir adressieren unsere Forderungen an die Frankfurter Stadtpolitik, an den Oberbürgermeister, an die gewählten Stadtverordneten, an die Fraktionen im Römer, an die OB-Kandidat*innen, an die Verwaltung und an die Zivilgesellschaft. Wir wollen möglichst viele Unterstützer*innen finden, die sich zur Aufgabe machen, für diese Forderungen einzutreten, überall wo es möglich ist.

Die Forderungen wurden am 7. Dezember 2017 von der Mitgliederversammlung des Frankfurter Jugendrings einstimmig beschlossen. Im Download-Bereich ist der Beschluss sowie eine Langfassung dieser Forderungen mit Erläuterungen (Zahlen, Fakten) zu einzelnen Forderungen verfügbar.

Die Sozialpolitische Offensive Frankfurt (www.spo-frankfurt.de) hat sich außerdem in ihrem Plenarsitzung vom 18.12.2017 hinter unseren Forderungen gestellt.

 

Unser eigener Beitrag

Beim FJR entstanden verschiedene AGs im FJR, die sich eine Reihe von Maßnahmen und Projekten für eine Kampagne überlegt haben:

Vereinfachung der Selbstbindung für die Bezuschussung von Geringverdienenden

Die Jugendverbände haben eine Richtlinie intern verabschiedet, wie sie ihre Ferienmaßnahmen auf einheitlicher Weise für Geringverdienende bezuschussen können, ohne bürokratischen Aufwand, von Fall zu Fall, und mit einer Bezuschussung mit bis zu 100% der Teilnahmegebühren an einer Freizeit.

Spendenaufruf für „Ferien-Fonds“

Wir sagen: „Jedes Kind in Frankfurt soll mindestens einmal im Jahr auf eine Freizeit der Frankfurter Jugendverbände mitfahren können – das Einkommen der Eltern darf dabei keine Rolle spielen“.

Aus dem Sozialbericht 2014 geht hervor, dass Urlaubsreisen und Freizeitaktivitäten die ersten Posten sind, bei denen Familien (egal ob armutsgefährdet oder nicht) am ehesten einsparen.

Siehe auch: ¾ Familien im SGB II –Bezug können sich keine einwöchige Urlaubsreise im Jahr leisten (Studie Bertelsmann Stiftung „Armutsfolgen für Kinder und Jugendliche 2016“)

Der FJR und seine Verbände betonen aber:

  • Kinder müssen aus der Stadt rauskommen: Ohne Freizeiten gehen wichtige Erlebnisse für kindliche Entwicklungen verloren. Sie fördern die Regeneration und bringen Kinder und Jugendlichen aus dem „armen“ Alltag raus.
  • Ferienfreizeiten ermöglichen soziales Lernen. Durch das Gruppenerlebnis steht das „Wir“ im Vordergrund, statt dem „ich“, alle Teilnehmer*innen verstehen sich als Teil der Gruppe. Diese Erfahrung stärkt das Selbstwertgefühl und trägt dazu bei, für eine Weile den eigenen sozialen Background zu vergessen.

Wir rufen deshalb zum Spenden auf, damit keinem Kind die Chance verwehrt wird, an einer Freizeit teilzunehmen! Jeder gespendete Euro kommt zu 100% Kindern oder Jugendlichen zugute. Mit den gespendeten Geldern können unsere Verbände die Teilnahmebeiträge für Ferienfreizeiten im erforderlichen Maß reduzieren. Wie man spendet, erfährt man auf der Seite unserer Kampagne: WWW.ARMTM.DE 

Solidarisches Modelabel armTM

Mit dem Modelabel armTM versuchen wir auf andere Weise auf das Thema Armut aufmerksam zu machen. Armut ist nicht cool. Aber armTM ist cool und versucht zu helfen, indem unsere Botschaft „weitergetragen“ wird und indem der Erlös eines jeden armTM-Produkts in unseren Ferien-Fonds einfließen wird.

Die Einnahmen aus dem Verkauf dienen der Unkostendeckung und der Spendengewinnung zugunsten von bedürftigen Kindern und Jugendlichen. Beispielsweise kostet ein fair produziertes T-Shirt aus Bio-Baumwolle im Verkauf 39,90€. Davon gehen 10,00€ als Spende in den vom Frankfurter Jugendring neu errichteten Ferien-Fonds. Damit können die Teilnahmegebühren für Ferienfreizeiten der Frankfurter Jugendverbände (siehe z.B. www.frankfurt-macht-ferien.de) bis zu 100% bezuschusst werden, wenn Kinder und Jugendliche das Geld dafür nicht aufbringen können.

Die Idee des Mode-Labels haben wir mit der Agentur U9 visuelle Allianz (www.u9.net) entwickelt. Mit dieser Agentur hatten wir bereits zusammengearbeitet, als sie die ehrenamtliche Initiative LOVE PAINTER ins Leben gerufen hatten. Gemeinsam veranstalteten wir im März/April 2016 die Ausstellung AZRAQ, mit Fotos von Silas Koch über das Flüchtlingscamp in der gleichnamigen Stadt in Jordanien. Die Agentur U9 gewann damit für ihr Engagement den Frankfurter Bürgerpreis 2016.

Mit eingestiegen ist Michael Hudler (www.m-hudler.de), freier Fotograf aus Darmstadt, der die Fotos gemacht hat. Neben Auftragsarbeiten für die Industrie arbeitet Michael regelmäßig für Magazine wie die ZEIT und brand eins.

Der Vertrieb erfolgt ab Mitte Januar 2018 über die Website armTM (www.armtm.de) sowie über lokale Einzelhändler*innen, die bereit sind, die armTM–Bewegung zu unterstützen. Gespräche dazu laufen; weitere Interessenten sind sehr willkommen!

Zu Beginn produzieren wir die Textilien nicht selbst, sondern nutzen Rohware von „Earth Positive“. Produktionspartner ist der Familienbetrieb Stadtdruck (www.stadtdruck.de) in Kalbach/Riedberg. Der Versand wird über die gemeinnützige Organisation Lebensräume (www.lebsite.de) in Offenbach abgewickelt.

Erneuerung und Erweiterung des Ferienportals Frankfurt-macht-Ferien

Der Frankfurter Jugendring betreibt seit einigen Jahren das Portal www.Frankfurt-macht-Ferien.de, bei dem unsere Jugendverbände sowie andere nicht-kommerzielle Anbieter (darunter die Angebote des Ferienkarussells, von Museen, Stiftungen usw.) ihre Ferienangebote einstellen können. Das Portal funktioniert wie eine Suchmaschine, um nach Kriterien (Stadtviertel, Alter usw.) das passende Ferienangebot zu finden. Hier kommt unser Ferien-Fonds im Einsatz: Für die Angebote unserer Jugendverbände können die Kinder und Jugendlichen den jeweiligen Anbieter kontaktieren, falls sie eine finanzielle Unterstützung brauchen.

Das Portal soll im Lauf des Jahres nicht nur optisch (und responsiv) erneuert werden, sondern auch die Begrenzung auf Ferien aufheben. Es soll damit ein gemeinnütziger ganzjährlicher Veranstaltungskalender für Freizeitangebote für die Stadt Frankfurt entstehen. Die Idee dabei ist, dass die regelmäßigen Angebote von unseren Jugendverbänden (Gruppenstunden, Veranstaltungen) und von offenen Einrichtungen wie Jugendclubs/Jugendhäusern auch außerhalb der Ferien für die Frankfurter*innen sichtbarer werden.

Die Erneuerung und Erweiterung des Portals soll in einem partizipativen Prozess geschehen. Dafür werden Benutzer*innen gefragt, aber auch die bisherigen (und zukünftigen) Anbieter sollen involviert werden. Eine Kick-off-Veranstaltung wird es dafür im Lauf des Jahres 2018 geben. Die Betreiber von Jugendzentren, die Vereine und sonstige Anbieter, die für Kinder und Jugendliche nicht-kommerzielle Angebote machen, können sich schon heute im FJR melden, um an dem Projekt mitzuwirken. 

 

Weitere Aktionen und Veranstaltungen

Einen Überblick über die nächsten geplanten Aktionen und Veranstaltungen im Rahmen der Kampagne findet ihr auf dieser Seite bei "Siehe auch".

Join the movement!

Um den Start des Online-Shops Mitte Januar 2018 nicht zu verpassen und um über die nächsten Aktionen informiert zu werden, empfehlen wir unseren Newletter "Join the movement"!

Danke

... an unsere Partner*innen von U9 visuelle Allianz und Stadtdruck für ihr Engagement

... an Michael Hudler für die schönen Fotos

... an Gerda Holz und Susanne Heeg für ihre Expertise

... an die Sozialpolitische Offensive Frankfurt für ihre Unterstützung

... an alle bisherigen anonymen Spender*innen sowie an Black Bembel Block, pict kommunikationsdesign

... an die Mainova AG für ihre Spende im Rahmen ihrer Facebook-Weihnachtspendenaktion