Frankfurt, du arme reiche Stadt

Rückblick 2010-2012

Zuletzt war das Thema Kinder- und Jugendarmut in den Jahren 2010 - 2012 in der Frankfurter Stadtpolitik präsent. Der Jugend- und Sozialamt veröffentlichte damals den Sozialbericht „Zukunft Frankfurter Kinder sichern“. Die Stadtverordnetenversammlung verabschiedete 2012 im Anschluss das entsprechende Programm zur Umsetzung der Empfehlungen aus dem Sozialbericht.

Parallel organisierte der FJR 2010 eine große Aktionskampagne gegen Armut, die in verschiedenen Aktionen und Projekten mündete. Hervorzuheben ist die Herausgabe der Studie „Kinder- und Jugendarmut in Frankfurt“, die in Zusammenarbeit mit Gerda Holz vom Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS Frankfurt/Main) entstand. Mehr dazu hier.

Sachstandbericht im Jugendhilfeausschuss 2017

Im Sommer 2017 präsentierte die 2012 gegründete Ad-hoc-AG (bestehend aus dem Jugend- und Sozialamt sowie Stadtschulamt) einen Sachstandsbericht vor dem Jugendhilfeausschuss, der den Stand des Erreichten im Hinblick auf das Programm „Zukunft Frankfurter Kinder sichern“  präsentierte. Es entstand nun eine Projektgruppe, um die Maßnahmen und Ziele, wie sie 2012 formuliert wurden, zu überprüfen und ggf. neue zu formulieren. Der FJR ist der Meinung, dass man die letzten fünf Jahre intensiver hätte nutzen können, um gegen Kinder- und Jugendarmut vorzugehen. Folgendes kritisieren wir:

  • Die angedachten Kooperationen, Netzwerke und Evaluationen in vielen Bereichen sind kaum bis gar nicht entstanden.
  • Für den Ausbau von Kinder- und Familienzentren und den Ausbau der Jugendhilfe in der Schule wurde Geld investiert, aber zu wenig.
  • Für den dringenden Ausbau der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (offene Einrichtungen wie Jugendzentren, Jugendclubs) ist nichts passiert.
  • Das Programm „pädagogischer Mittagstisch“, das insbesondere eingerichtet wurde, um Kinder und Jugendliche zu unterstützen, die von Armut betroffen sind, wurde nicht weiter ausgebaut.
  • Auf der übergeordneten politischen Ebene ist sehr wenig in Bewegung gekommen, wie z.B.  die Einrichtung kostenloser Kitas oder das Angebot kostenloser Mittagessen.
  • Das Personal in städtischen Einrichtungen und Verbänden ist für die Thematik nicht weitergebildet bzw. sensibilisiert worden.

 

Fakt ist:

Heute lebt nach wie vor fast jedes 4. Kind in Frankfurt von Hartz IV.

Die Zahlen heute sind nach wie vor ernüchternd: 2015 lebten in Frankfurt 25.675 Kinder unter 18 Jahren in Familien mit SGBII-Bezug, das sind 22,1% der Kinder.

Es ist kein überparteilicher Konsens zu erkennen, um das Problem der Kinder- und Jugendarmut mit ausreichenden Ressourcen anzugehen. Die Kosten sind alle berechnet worden, es fehlt nach wie vor an Mut und Entschlossenheit der politischen Verantwortlichen.

Neue Studien und Berichte, die ebenfalls bestätigen, dass das Problem mitnichten gelöst ist, sind zu finden in:

  • Frankfurter Sozialbericht – Teil X (Familien in Frankfurt) 2014
  • Bertelsmann Stiftung Bericht 2017
  • Hessischer Landessozialbericht Dezember 2017

 

Aktuelle Berichte aus unseren Jugendverbänden

Im Frühjahr 2017 wurde im Rahmen einer Klausur der FJR-Mitglieder das Thema erneut behandelt. Die Jugendverbände des FJR zeichneten ein erschreckendes Bild ab, wie sie Armut in ihrer alltäglichen Arbeit im Jugendverband, auf Ferienfreizeiten oder in offenen Einrichtungen begegneten und erlebten.

  • Die Kluft zwischen Armen und Reichen wird immer deutlicher und immer größer.
  • Es ist für viele junge Menschen immer problematischer, Beiträge zu zahlen (Mitgliedschaft, Freizeiten, Veranstaltungen)
  • Es wird als Diskriminierung und Stigmatisierung erlebt, wenn man Nachweise erbringen muss, um Vergünstigungen zu erhalten.
  • Die prekäre Situation von Jugendlichen tritt in den offenen Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit immer mehr zutage.
  • Kindern von Geringverdienenden fehlt nicht nur Geld, sondern oft auch persönliche Zuwendung: Die Mitarbeiter*innen fangen hier viel auf.
  • Das Vertrauen, das in offenen Einrichtungen zu Kindern / Jugendlichen aufgebaut wird, erleichtert das Erkennen von Förderungsbedarf.
  • Mädchen sind mit ihrer Situation stärker isoliert als Jungen, da sie öfter zuhause bleiben müssen, um hier zu helfen.

 

Was wir mit dieser Kampagne erreichen wollen

  • Wir wollen das Thema Kinder- und Jugendarmut wieder ins Zentrum der Diskussion und in den Fokus der Öffentlichkeit bringen.
  • Wir wollen Bündnispartner finden und die Politik zum Handeln bewegen.
  • Wir wollen einen eigenen Beitrag leisten, mit verschiedenen Projekten und Aktionen. Wir verfolgen dabei das Ziel: „Jedes Kind in Frankfurt soll jährlich auf einer Ferienfreizeit mitfahren können, unabhängig von der Einkommenssituation der Eltern“.