Unsere Forderungen zur Bekämpfung der Kinder- und Jugendarmut

 

Beschluss der Mitgliederversammlung des Frankfurter Jugendrings vom 7. Dezember 2017

(Die kursiv markierten Unterpunkten unter einzelnen Forderungen sind kein Bestandteil dieses Beschlusses, sondern dienen nur zur Erläuterung einer Forderung, ggf. mit Zahlen und Fakten)

 

WOHNRAUM

Für eine „Wohnungsgemeinnützigkeit“: Mit finanziellen und steuerlichen Anreizen sollen Hausbesitzer*innen und Wohnungsunternehmen in die Lage versetzt werden, Familien, Studierenden und Auszubildenden bezahlbaren Wohnraum anzubieten.

  • Nur 9% der Frankfurter*innen finden es leicht, in Frankfurt eine gute Wohnung zu einem vernünftigen Preis zu finden. (Quelle: Urban Audit, Die Lebensqualität der Frankfurter Bürgerinnen und Bürger im interkommunalen Vergleich; Bürgeramt, Statistik und Wahlen Frankfurt am Main, 2016).

Für mehr sozialen Wohnungsbau und die Abschaffung der zeitlichen Begrenzung für geförderten Wohnraum.

  • Die Anzahl der Sozialwohnungen in Frankfurt hat sich zwischen 2000 und 2015 von 41.324 auf 30.725 verringert. Bis 2021 ist nur noch mit 23.000 Wohnungen zu rechnen. (Quelle: Monitoring zur sozialen Segregation und Benachteiligung, Jugend- und Sozialamt Stadt Frankfurt, 2017).
  • Nach einer Untersuchung vom Institut für Wohnen und Umwelt (IWU) hätten 49% der Frankfurter Mieterhaushalte einen Anspruch auf eine geförderte Wohnung. Wenn alle Berechtigten ihren Anspruch geltend machen würden, bräuchte man in Frankfurt rund 140.000 Sozialwohnungen.
  • Deshalb sind mehr sozialer Wohnungsbau und die langfristige Erhaltung der Sozialbindung unentbehrlich.

Für neue Wege, um die Leerstandsproblematik in Frankfurt zu lösen (Gesetz gegen den spekulativen Leerstand).

  • Leerstehender Büroraum soll konsequent umgewandelt werden und Anreize für Haus- und / oder Grundstücksbesitzer gegeben werden, ihre Gebäude und Grundstücke zur Verfügung zu stellen.

  • Im Hinblick auf die kommenden Landtagswahlen in Hessen 2018 sollte die Stadt auf Landesebene ein Gesetz gegen den spekulativen Leerstand einfordern.

MOBILITÄT & TEILHABE

Für die kostenlose Nutzung des ÖPNV für alle Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre bzw. bis zum Abschluss des Abiturs oder der ersten Ausbildung.

  • Für den Frankfurter Jugendring ist klar: Die Möglichkeit, den ÖPNV zu nutzen, bietet Kindern und Jugendliche Mobilität und Teilhabe. Wir fordern die politischen Vertreter*innen der Stadt Frankfurt bei RMV und an anderen Stellen auf, sich für dieses Anliegen stark zu machen.

Für eine Erhöhung der Bemessungsgrenze des Frankfurt-Passes und eine Überarbeitung der Vergabekriterien.

  • Die Einkommensgrenzen, um den Frankfurt-Pass zu beantragen, betragen bei 1-Personenhaushalten 912,00 Euro netto und erhöhen sich für jedes weitere Mitglied der Haushaltsgemeinschaft um 269,00 Euro netto. Zum Haushalt zählen alle Personen der Haushaltsgemeinschaft, unabhängig von Alter, Verwandtschaftsgrad oder Familienstand.
  • Laut Statistischem Bundesamt (Dezember 2017) ist ein Ein-Personenhaushalt mit einem Einkommen von 1.063,65 Euro (Jahreseinkommen 12.765€) armutsgefährdet. Für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren liegt diese Grenze bei 2.233,91 Euro (Jahreseinkommen 26.807€). Mindestens bis zu diesen Beträgen – entsprechend angepasst an Haushalte mit anderer Personenanzahl – sollte die Bemessungsgrenze für den Frankfurt Pass angehoben werden.
  • Individuelle Belastungen, wie z.B. Miete oder Heizung, werden bei der Berechnung nicht zusätzlich berücksichtigt und führen dazu, dass viele Haushalte keinen Anspruch auf einen Frankfurt-Pass haben.

 

FREIZEIT

Für mehr Einrichtungen und Angebote für Kinder und Jugendliche und eine angemessene Ausstattung dieser, insbesondere in den benachteiligten Stadtteilen.

  • Zu den besonders benachteiligten Stadtteilen in Frankfurt zählen u.a. Gallus, Sossenheim, Fechenheim, Zeilsheim und Höchst. In diesen Stadtteilen lag der Anteil an Kinder in SGBII-Familien über 40%. (Quelle: Stadt Frankfurt am Main, Frankfurter Sozialbericht Nr. 40, 2010). 
  • In der offenen Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) können die Kinder und Jugendlichen aus Familien mit wenig Einkommen oftmals ein Stück aufgefangen werden.  Unsere Jugendverbände und deren offene Einrichtungen betonen, dass die prekäre Situation von Jugendlichen in der offenen Kinder- und Jugendarbeit  immer mehr zunimmt und sichtbarer wird.
  • Es besteht ein Mehrbedarf von mindestens 4 Millionen Euro in der OKJA. Diese Zahl bezieht sich zum einen auf fehlende Lohnanpassung aufgrund von Tarifsteigerungen und zum anderen auf die fehlende Erhöhung an Einrichtungen und Personal aufgrund des Bevölkerungszuwachses. Die Zahl beinhaltet noch nicht den Bedarf an Mitteln für eine  explizite Förderung der von Armut betroffenen Kinder und Jugendlichen.
  • Wir fordern auch mehr finanzielle Anreize und Unterstützungen, um Fachkräfte zu gewinnen bzw. zu halten (Zuschläge wie Ortzuschläge, Unterstützung bei der Wohnungssuche usw.).

Für mehr öffentliche Plätze und Räume in der Stadt, an denen sich Jugendliche aufhalten können.

  • Jugend und Jugendpolitik spielt sowohl in der städtischen Politik als auch in der Öffentlichkeit eine untergeordnete Rolle. Für die Belange von Kindern sind oftmals mehr Menschen bereit, sich einzusetzen, während Jugendliche eher als störend oder nervend empfunden werden. Jugendliche brauchen ebenfalls eine starke Stimme in der Stadt und Räume zur Entfaltung. Wir als Frankfurter Jugendring sind der Meinung, dass es auch öffentliche und sichtbare Plätze in der Stadt geben muss, frei von Kommerz und Pädagogik, an denen sich Jugendliche aufhalten können.

Für genügend ‎Kinderspielplätze (groß genug und in guter Lage), insbesondere in benachteiligten Stadtteilen, und genügend Grünflächen, die als Naherholungsgebiete genutzt werden können.

Für mehr kommunale Mittel, um die kostenlose Teilnahme an Angeboten der Sportvereine, der Musikschule oder anderen Kultur- und Freizeiteinrichtungen zu ermöglichen. 

  • Nicht nur Mitgliedsbeiträge können Hindernisse für die Teilhabe an Angeboten sein, sondern auch die bei vielen Sportarten notwendige und teure Ausstattung, für die es auch eine Förderung geben muss.   

Ferienfreizeiten für alle! Jedes Kind sollte mindestens einmal im Jahr an einer Ferienfreizeit der Frankfurter Jugendverbände teilnehmen können, unabhängig vom Einkommen der Eltern.

  • Bei Familien, die wenig Geld haben, fallen Urlaub (für 87% der Familien) und Freizeitaktivitäten (für 62%) als erstes weg (Quelle: Frankfurter Sozialbericht, Teil X, 2014).
  • Jedes vierte Kind in Frankfurt lebt von SGBII-Bezug, 37,2 % der Alleinerziehenden erhalten SGB II-Leistungen. Gerade Kinder und Jugendliche aus betroffenen Familien sollen die Möglichkeit haben, mindestens einmal im Jahr aus dem Alltag raus zu kommen und an einer Ferienfreizeit teilzunehmen.

BILDUNG & BETREUUNG

Für den Ausbau an Betreuungsplätzen (Horte, U3) und einen kindgerechten Personalschlüssel in Kitas vorrangig in den benachteiligten Stadtteilen.

Für mehr Chancengleichheit und bessere Zugänge zu den verschiedenen Schulformen in allen Stadtteilen.

Für eine kostenlose Ganztagsbetreuung, auch für Kinder unter 3 Jahre.

  • Wir finden den Schritt der hessischen Landesregierung, der es Eltern ermöglicht, ihr Kind / ihre Kinder die ersten sechs Stunden kostenlos ab August 2018 in die Kita zu geben, richtig. Allerdings kann dies nur ein Zwischenschritt sein: Das Ziel sollte sein, einen Ganztagsplatz kostenlos anzubieten, auch für die unter Dreijährigen. Betreuung und Bildung sollte auch in der Kita-Zeit kostenlos zugänglich sein.

Für ein kostenloses Mittagessen für jedes Kind, das dieses benötigt.

  • Die Kosten hierfür wurden bereits 2012 vom Magistrat der Stadt Frankfurt berechnet. Wir fordern eine Neuberechnung der Kosten sowie eine Debatte über das Anliegen.

Für die bedarfsgerechte Schaffung umfassender Unterstützungsangebote (Beratung, Lots*innen-/ Mentor*innenbegleitung, kostenlose Nachhilfe) in allen Einrichtungen mit hohem sozialen Belastungsgrad.

 

AUFKLÄRUNG & VERNETZUNG

Für eine Verankerung des Themas „Kinder- und Jugendarmut“ als Querschnittsaufgabe der städtischen Verwaltung.

  • Es ist wichtig, dass alle Ämter, Institutionen und Akteur*innen an einem Strang ziehen und gut vernetzt sind, um gezielt Kinder- und Jugendarmut vorbeugen oder gegen diese vorgehen zu können. Eine stärkere Vernetzung war bereits seit dem Ad Hoc-Antrag im Jugendhilfeausschuss 2012 Thema bzw. es sollte eruiert werden, an welchen Stellen dies verstärkt geschehen muss. Dies muss unserer Meinung nach endlich passieren und das Thema muss als Querschnittsaufgabe verstanden werden.

Für eine Sensibilisierung und entsprechende Fortbildung von Fachkräften in Schulen, in der Verwaltung und in der Jugendarbeit.

  • Eine Fortbildung und Sensibilisierung von Fachkräften zur Thematik sollte auch mit dem Ad Hoc Antrag von 2012 angestoßen werden. Wir sind der Meinung, dass dies endlich geschehen muss.

Für eine starke Vernetzung der Akteur*innen und Organisationen in den Sozialräumen, die mit Kinder- und Jugendarmut zu tun haben.

Für eine systematische Erfassung der Bedarfe und Interessen armutsbetroffener Kinder und Jugendlicher sowie ihre Beteiligung bei der Planung von Angeboten, damit es passgenaue Unterstützungen geben kann.